Die Kultur im Vest ist so reichhaltig, dass es aussichtslos wäre, sie in Gänze darzustellen. Vier Mosaiksteine.
Pionier der Tattookunst im Ruhrgebiet
Als Heiko Gantenberg 1989 mit Top Notch Tattoo (TNT) in Marl eines der ersten Studios im Ruhrgebiet eröffnete, waren Tattoos bei uns fast ausschließlich in Subkulturen verbreitet. Gantenberg kam damals über Punk zu seiner Passion. Dabei sei das Tätowieren eine der ältesten Kunstformen der Menschheit. Zwar seien Tattoos heute im Mainstream angekommen, oft aber noch immer nicht als Kunst akzeptiert. Querelen mit Ämtern und ein fast zehnjähriger Rechtsstreit mit der Künstlersozialkasse um Aufnahme und Anerkennung seiner Arbeit begleiten die 36 Jahre Berufstätigkeit des 56-Jährigen. Gelernt hat er Kunst und Handwerk im Tattoostudio Electric Dragon in Idaho/USA. Über 25 Jahre später umreiste Gantenberg die Welt zwei- einhalb Jahre mit dem Motorrad auf den Spuren der Tattookultur. Seine Erlebnisse schreibt er derzeit in einem Buch nieder, das 2024, zehn Jahre nach Reisebeginn, erscheinen soll. So viel lässt sich schon verraten: Er ist überall fündig geworden und auf spannende Motive und lange Traditionen gestoßen.
Theater für Kinder und Jugendliche
... ist die Passion von Sabrina Klose, seit 2010 Dramaturgin am Westfälischen Landestheater, das neben seinem Stammsitz in Castrop-Rauxel auch im Vest und der gesamten Region auftritt. Eine ihrer Hauptaufgaben: „ganz viel lesen“, um gemeinsam mit Intendant Ralf Ebeling eine gute Mischung aus zeitlosen Klassikern sowie neuen Stücken und aktuellen Themen zusammenzustellen. Die 41-jährige Theater- und Medienwissenschaftlerin begleitet die Entwicklung eines Stücks von der Romanvorlage bis zur Aufführung. Sie adaptiert vorhandene Bühnenfassungen oder entwickelt diese überhaupt erst, sie stellt das Team zusammen und begleitet Regisseur sowie Bühnen- und Kostümbildner bei der Inszenierung. Als Nächstes stehen ab April die Proben für „Die drei ??? Kids – Der singende Geist“ (Premiere am Sonntag, 4. Juni, im Parkbad Süd in Castrop-Rauxel). Egal, ob ein Stück es den jungen Zuschauern ermöglicht, alles um sie herum zu vergessen oder sich mit ernsten Themen auseinanderzusetzen – Sabrina Klose begeistert es, wenn die Botschaft ankommt: Es lohnt sich, an seine Träume zu glauben oder neue Dinge auszuprobieren. „Das erlebe ich immer wieder.“
Von Danzig nach Recklinghausen und zurück
Nur wenige Künstler sind im öffentlichen Raum so präsent wie Danuta Karsten mit ihrer Stadtkuppel im Kreisverkehr westlich der Recklinghäuser City – eine besondere Anerkennung und Zeichen der Verbundenheit für die in Polen geborene Künstlerin. Es war 1985 eine Reise ohne Rückkehr in die kommunistische Heimat mit der Zensur an der
Kunstakademie Danzig. Weil sie hier Verwandte hatte, wurde Recklinghausen zur Wahlheimat – bis heute. Kurze Wege ins Grüne, aber auch ins Umland mit seiner Dichte an Museen und Theatern, das mache das Vest für die heute 59-Jährige aus. Hinzu kommt ein gutes Netzwerk von Künstlern, mit denen sie sich austauscht, u. a. im Vestischen Künstlerbund, dessen Vorsitzende sie von 1996 bis 2009 war. Deutlich über die Region bis ins europäische Ausland reicht ihr Wirken – längst auch wieder nach Polen. 2020 arrangierte sie in einem alten Warschauer Gasometer 240 je 104 Meter lange Kunststoffschläuche – ihr bis dato voluminösestes Werk und Teil ihrer Promotion an der Kunstakademie Warschau 2021. Gerade ist sie von einer Reise aus Danzig zurück, wo sie eine 2.500 m² große Halle der früheren Leninwerft besichtigte, in den 1980ern Ausgangspunkt der Solidarność-Bewegung. Ein Kreis schließt sich.